Süchtiges Verhalten und "süchtig sein"

 

Ganz allgemein betrachtet gibt die Frage nach dem "Wie" Auskunft darüber, ob die Durchführungsqualität eines Verhaltens als süchtig zu bezeichnen ist. Süchtiges Verhalten umfasst die psychologische Dimension eines bestimmten Verhaltens oder aber größere Anteile an einer Verhaltenseinheit. Der "innere Gehalt" einer solchen Klassifizierung ist gekennzeichnet durch die Einseitigkeit, Absolutheit und Unersetzbarkeit des jeweiligen süchtigen Verhaltens bzw. Verhaltensanteils. Der "äußere" also sichtbare Teil gibt Auskunft darüber, um welche Handlungen es dabei geht. Weitestgehend unberücksichtigt bleibt das dazugehörige physiologische Regelwerk im Organismus, weil es über eine identifizierbare Qualität nur strukturell fassbar ist.

 

 

Psychologie süchtigen Verhaltens

Eine Psychologie süchtigen Verhaltens muss herausarbeiten können, welche spezifischen Eigenheiten eine solche Einstufung erlauben oder sogar notwendig machen.

Süchtig ist man nach etwas. Das kann eine Verhaltensweise sein, z. B. spielen, dann spricht man von Spielsucht. Zahlreiche Aktivitäten können süchtig betrieben werden, z. B. laufen, essen, arbeiten, schminken usw.

Bei der sogenannten Magersucht bezieht sich der Suchtanteil auf eine Unterlassung, nämlich zu essen. Dieses aktive Nichttun wird zur Sucht.

Der Abhängigkeitsbegriff bezieht sich auf etwas anderes, nämlich auf das "wovon". damit rückt Materielles in den Vordergrund. In der Regel sind dies bestimmte Substanzen oder Inhaltsstoffe. Abhängig wird man also von etwas.

 

 

Besonderheiten und Eigenheiten einer süchtigen Charakterisierung

 

a) die Häufigkeit des jeweiligen Verhaltens

 

b) der Stellenwert des jeweiligen Verhaltens

  • die zunehmende Bereitschaft, den Lebensalltag um das Zielverhalten herum zu organisieren
  • damit verbunden ist oftmals eine wachsende Interessenlosigkeit an alternativen Betätigungsmöglichkeiten

 

c) die Bedeutung als Teil einer funktionstüchtigen 

    Selbstregulierung   

  • Regulativ für Laune und Stimmung
  • Einfluss auf die Grundgestimmtheit
  • die persönliche Ansprechbarkeit
  • die allgemeine Leistungsfähigkeit
  • der Grad von Agressivität bei Ausfall des süchtigen Verhaltens
  • andere psychologische Entzugserscheinungen sind Nervosität, Unruhe, Gereiztheit, Impulsivität und Hyperaktivität

 

d) Beeinträchtigungen in der Partnerschaft und/oder dem

    sozialen Verbund

  • mangelhafte Ansprechbarkeit
  • zunehmende Gleichgültigkeit
  • veränderte Hilfsbereitschaft
  • reduzierte Kommunikation
  • Tendenz zur Vereinsamung

 

e) Eine Sucht repräsentiert eine extreme und praktisch 

    unabänderliche Bindung.

    Voraussetzung, um süchtig nach einem Objekt zu werden sind

    drei Arten von Emotionsreaktionen:

  • Es wird Freude ausgelöst.
  • Es wird Erregung ausgelöst.
  • Erzeugt die Abwesenheit des Objektes oder das Bewusstsein von der Möglichkeit dieser Abwesenheit in der Zukunft negative Emotionen, so lässt sich die Beziehung als psychologische Sucht bezeichnen.Erregung tendiert dazu nach Handlung zu verlangen und Handeln seinerseits neigt dazu, die Erregung zu verstärken. So schließt sich der Kreislauf Sucht, indem das Motivationssystem des süchtigen Individuums von dem Objekt der Sucht dominiert und beherrscht wird.

 

Die Gemeinsamkeit zwischen einer Sucht und einer Abhängigkeit besteht darin, dass man nicht bewusst, also in dieser Absicht, süchtig bzw. abhängig werden kann.

 

Eine Sucht entwickelt sich auf einer unmerklichen Ebene. Erkennbar meist, wenn sie in der Person des Betroffenen so tief verankert ist, dass ihr erhebliche Nachteile entstehen, je nachdem um welche Sucht es sich dabei handelt.

 

Die aufgezählten Merkmale süchtigen Verhaltens müssen ergänzt werden durch eine Betrachtung des damit verbundenen erlebten Zustandes, des "Süchtig Seins". Dieser wird vom Betroffenen als angenehm erlebt und trägt damit entschieden zu seinem persönlichen Wohlbefinden bei. Damit einher geht die Aufrechterhaltung des süchtigen Verhaltens.

 

Der Stärkegrad einer Sucht bestimmt in einer Hierarchie deren Rangstelle im Vergleich mit mehreren Verhaltensweisen, die für eine ausgewogene Balance herangezogen werden können.

Diffuse Einstellungen, auch gesellschaftlicher Art, tragen mit dazu bei, dass ggfls. süchtiges Verhalten schwer änderbar bleibt, etwa bei der Arbeitssucht, indem diese dem Betroffenen ein hohes Maß an Bewunderung einbringt, vergleichbar dem Krankheitsgewinn bei diversen Krankheiten.

 

Eine Sucht bezieht sich meist auf die Erfüllung elementarer Bedürfnisse. Zum einen kann sie über den Weg der Deprivation primärer Lebensbedürfnisse hervorgerufen werden, andererseits aber auch, indem einem Bedürfnis eine dominierende Position eingeräumt wird. Einseitige Bedürfnisbefriedigung (Bedürfnisfixierung) kann dann Wegbereiter für süchtiges Verhalten werden und somit Grundlage für gutes Funktionieren.

 

Zu Recht darf man auch die Frage stellen, ob denn jede Sucht negativ zu werten ist. Sucht schließt ein Verhalten von hoher Zielgerichtetheit mit ein. Eine solche Vorgehensweise ist aber auch nützlich und wird sogar gefordert, z. B. studentisches Lernen, kreative oder schöpferische Betätigung, in Industrienationen der Drang nach Leistung und Erfolg. Ebenso wird es Fälle geben, in denen Suchtverhalten präventive Eigenschaften hat und vor schlimmeren Verhaltensweisen abhält.